Autogenes Training
"Autogenes
Training" ist eine von Prof. Schultz in den 20er Jahren dieses
Jahrhunderts entwickelte autosuggestive Methodik zur Vitalisierung von
Körper und Seele. Dabei wird das Körperempfinden verbessert und eine
wesentliche Harmonisierung körperlicher und seelischer Funktionen
erreicht. Regelmäßige Anwendung trägt deutlich zur
Persönlichkeitsstabilisierung bei und hilft Alltagsprobleme souveräner
zu verarbeiten. Autogenes Training kann als eine selbsttherapeutische
Maßnahme eingesetzt werden. Autogenes
Training ist ein sehr wirkungsvolles therapeutisches Instrument und
Selbstfindungsmittel, gerade deshalb sollte es nicht ohne die nötige
Sorgfalt praktiziert werden. Je kraftvoller Mittel wirken, um so eher
können sie, wenn auch nur in sehr seltenen Fällen, auch negative
Auswirkungen haben (Herzjagen, Schwindel, Schweißausbrüche). Man sollte
aber auch nicht ängstlich an diese Techniken herangehen. Wichtig ist
wie bei allen ähnlichen Techniken: Schritt um Schritt, nichts erzwingen,
Sorgfalt pflegen, sich im Positiven dessen bewusst sein "...man handelt
an sich selbst". Bei psychischen Störungen und Herzneurosen ist die
Konsultation eines Facharztes unbedingt zu empfehlen. Autogenes
Training besteht aus fünf wesentlichen Elementen: 1.
Vorbereitung 2.
Zurücknehmen 3.
Körperverständnis 4.
Autosuggestive Formel 5.
Oberstufen-Technik
Zusammenfassung:
In der Regel bedienen sich die meisten Praktizierenden der ersten beiden
Elemente. Autogenes Training hat in seinem Einsatzbereich eine sehr hohe
Bandbreite und wird in Medizin, Psychologie, Lebensberatung und u.a. im
Sporttraining angewandt. 1.
Vorbereitung Grundlage
des Autogenen Training ist die Fähigkeit zu entspannen. Ungeübten
ist das Aufsuchen einer angenehmen, ruhigen, störungsfreien und genügend
temperierten (vermeiden von Abkühlung) Umgebung zu empfehlen. Eine
solche Umgebung erleichtert das Autogenes Training, ist aber nicht
Voraussetzung. Spezielle Musik kann hilfreich sein, sie sollten sich
aber nicht daran gewöhnen, denn schließlich heißt Selbsterfahrung sich
"SELBST"-erfahren und nicht Musik hören oder sich "Tonal" einzunebeln.
Es wird viele Situationen in Ihrem Leben geben, wo Sie keine Musik haben
und Sie wollen sich trotzdem "Erfahren" -jahrtausendelang hat das ja
schließlich auch funktioniert. Nehmen Sie eine angenehme Sitz- oder
Liegehaltung ein. Die
Droschkenkutscher-Haltung hat sich als besonders zweckmäßig erwiesen.
Darunter versteht man eine aufrechte, leicht mit dem Rücken angelehnte
Sitzhaltung. Die Form der Rückenlehne der benützten Sitzgelegenheit
sollte ein seitliches Abrutschen vermeiden. Die Unterarme liegen wie bei
einem Droschkenkutscher locker auf den Oberschenkeln. Bei der
Handhaltung sind die Handflächen einander zugeneigt, leicht geöffnet und
dabei entspannt. Diese Haltung ergibt sich natürlich und ohne Zwang. Ausgehend
von der angenehmen Grundhaltung werden die Augen geschlossen. Man
beginnt innerlich ruhig zu werden. Um die Alltagsgedenken loszulassen,
kann man sie durch folgenden Gedanken ersetzen: "Die Gedanken kommen und
gehen". Wenn Sie diesen "Gedanken-Satz" ohne Kraft und Konzentration
häufiger und eher monoton als bewegt wiederholen, finden Sie schnell zur
Ruhe. Dann können Sie den Gedanken "Die Gedanken kommen und gehen" jetzt
immer ›leiser‹ werden lassen, ähnlich wie Sie es von ihrer Stimme
kennen. Irgendwann "hören" Sie diesen Gedanken nicht mehr, - um Sie ist
nur noch Gedankenstille. Nun haben Sie beste Voraussetzungen mit dem
Autogenen Training zu beginnen. Am Anfang
werden die Alltagsgedanken immer wiederkehren. Dann lassen Sie einfach
den Gedanken "Die Gedanken kommen und gehen" wieder einsetzen und
›lauter‹ werden. Wenn dann die Ruhe sich wieder abzeichnet lassen Sie
den Gedanken ›Leiser‹ werden. Verwenden Sie das ›Leiser‹ und ›Lauter‹
ist wie ein Lautstärkeregler, der Sie zur Stille führt. Es ist sehr
wahrscheinlich (und auch nicht ungewöhnlich), dass es Ihnen in den
ersten Sitzungen nicht gelingt die Alltagsgedanken genügend loszulassen.
Spielen Sie dann mit ›Leiser‹ und ›Lauter‹ etwa geschätzte fünf bis zehn
Minuten (das kommt einem Ungeübten am Anfang als sehr lange vor!)
und lassen Sie dann die Alltagsgedanken wieder ganz in Sie eintreten.
Erzwingen Sie aber nichts! Bei der nächsten und übernächsten Übung,
später am Tag oder morgen wird es schon besser gehen. Erst wenn Sie etwa
geschätzte 2-3 Minuten zur völligen Stille kommen, und das wird für den
Anfang (wegen der subjektiven Zeitdehnung) ebenfalls schon als sehr lang
empfunden, sollten Sie den nächsten Schritt erarbeiten. Ungeduld schadet
hier dem Lernprozess und zieht das Erlernen unnötig in die Länge oder
erzeugt ungenügende Oberflächlichkeit. In der Regel dauern die ersten
Schritte erheblich länger als spätere Schritte. "Schrittweiten" von ein
bis zwei Wochen bei täglicher Übung sind nicht ungewöhnlich. Konsequenz
und Beharrlichkeit im Üben sind, wie immer beim Lernen, notwendig. 2.
Zurücknehmen Im
Autogenen Training wird mit Vorstellungen und Gedanken gearbeitet -
"Mein Arm ist (wird) schwer". Diese zweifellos angenehmen Erfahrungen
bewirken aber auch körperliche (biochemische) Änderungen. Sie würden
zwar nach einigen Stunden verschwinden, aber kontrolliertes "EINTRETEN"
in die Suggestion erfordert auch kontrolliertes "AUSTRETEN" aus der
Suggestion. Grundsätzlich gilt das Zurücknehmen muss in jedem Fall
erfolgen!! Zurücknehmen ist ganz einfach. Man denkt und handelt nach
folgenden Schritten (bitte die Reihenfolge beachten): Arme fest:
Arme energisch strecken und beugen und dabei die Muskeln der Arme
spannen und entspannen Tief atmen: Tief durchatmen und dabei Brust und
Bauch spürbar bewegen.
Augen auf: Langsam und
ruhig die Augen öffnen "Arme fest
- Tief atmen - Augen auf" Ist der
Merksatz für das Zurücknehmen. Lassen Sie sich dafür unbedingt genügend
Zeit. Wenn Sie Ihre Augen geöffnet haben, sollten Sie genügend Ruhe
bewahren und ohne hastige Bewegungen aufstehen. 3.
Körperverständnis Das
Körperverständnis beginnt der Einfachheit halber bei den Gliedern, bei
den Händen und Armen. Dabei werden Erfahrungen verwendet, welche wir
alle kennen: Ruhe, Wärme, Schwere und Rhythmik. Alle Effekte sind Ihnen
bekannt, es sind keine ungewöhnlichen oder beängstigenden Empfindungen
welche dabei auftreten können. Der einzige Unterschied besteht darin,
dass diese sehr angenehmen Effekte sich jetzt "willentlich" ergeben.
Folgende Teilschritte werden angewandt und Erfahrungen daraus bezogen.
Ohne
geeigneter Literatur vorzugreifen sei hier eine kurze allgemeine
Anleitung zur Verwendung der Übungsformeln genannt. Diese
Information ersetzt keinesfalls einen Übungskurs bei einem erfahrenen
Therapeuten! Die Übungen
sind strikt in der oben angegebenen Folge durchzuführen, da sie auf
einander aufbauen und sich ergänzen. Aus dem Ablauf gerissene Übungen
können wirkungslos sein oder bei entsprechender Disposition zu Autogenen
Entladungen und "Organerinnerungen" führen. Falsche Rücknahmen können
die Symptome verstärken.
Praxis Zu Beginn
einer Übung wenden wir unser Augenmerk auf den anzu-sprechenden Bereich.
Beim Beispiel der Wärmeübung wäre dies der Arm. Stellen Sie ihn sich
bildlich vor, versuchen Sie sich dieses Armes bewusst zu werden, ihn zu
"erfühlen". Die Übungsformel "Der rechte/linke Arm ist warm" sollten Sie
sich nun etwa 6-10 mal denken. Sicher wird für den Unerfahrenen dabei
noch keine Reaktion erfolgen. Trotzdem - spüren Sie in Ihrem Arm nach
was geschieht. Haben Sie keine Erwartungshaltung, da sie das typische
Wärmegefühl noch nicht kennen. Wiederholen Sie die Sequenz. Maximale
Übungsdauer 10 Minuten. Es gibt
Praktizierende, die sehr früh eine aufsteigende Wärme aus den
Fingerspitzen oder der Handfläche erfahren. Regelmäßige Übung
vorausgesetzt wird sich dieses angenehme Gefühl über den Arm nach oben
bis zur Schulter fortsetzen. Genießen Sie die Entspannung. Nun wenden
Sie Ihre Aufmerksamkeit dem anderen Arm zu und führen die gleiche Übung
durch. Anschließend wird der Wärme- und Entspannungseffekt in beiden
Armen zu spüren sein. Sie können
jetzt die selbe Übung mit Ihren Füßen durchführen. Wenn Sie kein enges
Schuhwerk tragen wird Ihnen die Erfahrung erleichtert. Geraten Sie
nicht in Unruhe, wenn der Effekt sich nicht gleich einstellt. Sie können
bereits in der ersten Woche Erfahrungen haben oder aber vier Wochen üben
müssen. Zeit spielt
bei Selbsterfahrungstechniken keine Rolle, um so mehr die
Beharrlichkeit. Geben Sie sich keinen Täuschungen hin (Sinngemäß: "Ah,
toll, ich spüre schon was! Bin ich toll bei mir klappt das alles schon
am ersten Tag. Ich mache gleich alle Übungen durch!") Es kann sein dass
wieder Alltagsgedanken auftauchen. Denken Sie
einige Male: "Die Gedanken kommen und gehen. Ich bin vollkommen ruhig"
und kehren dann zu ihrer Übungsformel zurück. Sollten Sie
sich durch die Übung unwohl fühlen, dann keine Panik! Es kann nichts
schlimmes passieren. Denken Sie nicht mehr die Übungsformel, sondern
einige Male: "Ich bin vollkommen ruhig", lassen diesen Gedanken
anschließend "ausklingen". Nun praktizieren Sie energisch das Rücknehmen
mit "Arme fest, Tief atmen, Augen auf" Lassen Sie sich dafür aber
unbedingt genügend Zeit. Wenn Sie Ihre Augen geöffnet haben, sollten Sie
noch einen Augenblick mehr Ruhe gönnen als sonst und ohne hastige
Bewegungen aufstehen. Im Laufe
der Jahre werden Sie alle Übungen sehr schnell umsetzen können. Sie
denken dann nur noch "Ruhe, Schwere, Wärme, Herz schlägt gleichmäßig und
ruhig, Atem gleichmäßig und ruhig, Sonnengeflecht strömend warm, Stirn
angenehm kühl". Innerhalb weniger Sekunden setzen alle Effekte ein und
der Körper ist komplett in den "autogenen" Zustand versetzt, dies nennt
man Generalisierung. Eine Generalisierung erfolgt sicher, schnell und
ungemein wirkungsvoll, setzt aber erhebliche Übung voraus. 4.
Autosuggestive Formel Der
körperliche Bereich des Autogenen Trainings, ist für viele hinreichend
als hervorragende Entspannungsübung. Eine
weitere Stufe ist das Einbinden einer "Autogenen Formel". Darunter
versteht man einen Leitsatz der eine grundsätzliche Gedankenausrichtung
erleichtert. "Ich bin ruhig und gelassen" ist eine solche bekannte und
sehrbewährte "Autogene Formel". Sie ist wegen ihres sehr positiven
Grundgehaltes zu empfehlen. Wird eine solche "Autogene Formel" genügend
häufig im Generalisierungszustand gedacht, prägt sie sich ins
Unterbewusstsein ein. Das eigentlich Entscheidende ist jedoch, dass sich
diese "Formel" (kontrolliert) verselbständigt. Darunter ist zu
verstehen, dass in schwierigen Situationen diese "Autogene Formel"
plötzlich und zuverlässig wie aus dem Nichts als Gedanke entsteht und
seine Wirkung (positiv involviertes Umfeld) zeigt. Stellen Sie
sich vor: Eine Situation (z.B. ein Streitgespräch) erregt Sie
außerordentlich. Sie haben große Mühe mit der Selbstkontrolle und einen
klaren Kopf zu behalten. Plötzlich
taucht in Ihnen der Gedanke auf: "Ich bin ruhig und gelassen", mit samt
seinen "Wirkungen" wie z.B. Klarheit, Ruhe, Sicherheit. Dieser Gedanke
schlägt sich automatisch auf Ihr Verhalten nieder. Die Praxis zeigt, sie
werden "ruhiger und gelassener". Sie werden für Ihr eigenes Geschenk an
sich dankbar sein. Es versteht
sich von selbst, dass im Umgang mit "Autogenen Formeln" verantwortlich
zu handeln ist und die Inhalte deswegen keines Wegs negativ besetzt sein
dürfen. Falsch geprägte Formeln können aus sozialer, psychologischer und
medizinischer Sicht erhebliche Schäden anrichten. 5.
Oberstufen-Technik Zusätzlich
zu den Techniken der Grundstufe gibt es eine weiterführende Oberstufe.
Dabei handelt es sich um Einstiegstechniken in die imaginative
Meditation. Näheres hierzu unter Meditation. Es ist also ersichtlich,
dass das vorbereitende Fundament zur Meditation beträchtlich ist.
Meditation ist nicht einfach entspannen, lesen, nachdenken oder eine
halbe Stunde die Augen schließen und Düfte atmen. Dafür ist das deutsche
Wort "ruhen" sehr wohl geeignet, auch wenn es nicht so "großartig" wie
Meditation gelingt. Angemessene innere Demut ist hierbei dienlich.
Zusammenfassung: Autogenes
Training ist eine moderne westliche, seit Jahrzehnten bewährte,
therapeutische Methode. Gerade wer einen längerfristigen Weg zu
Selbstfindung einschlagen will, sollte an früher Stelle sich intensiv
mit diesem "Werkzeug" befassen. Es setzt Konsequenz, Beharrlichkeit und
ein gewisses Maß an Selbstdisziplin voraus. Der tägliche Aufwand von 1 -
2 mal 15 - 30 Minuten ist bereits nach wenigen Monaten als Gewinn
bringend erkennbar und dient als Basis und der Fortentwicklung zu
anspruchsvollen Meditationstechniken. |